The lost paradise

Vor einigen Tagen stieß ich im Internet auf ein Video, das einen Spaziergang durch das Kadidiri Paradies Resort in Sulawesi, Indonesien zeigt. Es ist immer noch schön, ein Paradies aus dem Bilderbuch, richtig gehend luxuriös zu dem, was wir damals hatten.

Vor zwanzig Jahren reiste ich leidenschaftlich gerne in Indonesien, 1999 verbrachte ich den Jahreswechsel auf den Togeaninseln, zu denen Kadidiri gehört. Damals gab es nur etwa zehn einfache Bambushütten auf Stelzen, in denen sich nicht viel mehr als ein Bett mit einem Moskitonetz befand, und ein paar Haken, um Kleider oder Handtücher aufzuhängen. Von der kleinen Veranda, auf der zwei Bambusstühle und ein Tisch standen, sah man auf das Meer hinaus, immer ein dramatisches Wolkenspiel vor Augen und das Rauschen der Wellen in den Ohren. Es gab nichts als den Strand, hinter den Hütten Felsen und Dschungel und vor einem ein spektakulär schönes Riff. Man musste nicht einmal tauchen gehen, um die unglaublichsten Exemplare von Meereslebewesen zu beobachten. Dazu gab es noch eine große Hütte, in der das Restaurant und die Tauchbasis untergebracht waren. Mehr war da nicht, alle Mahlzeiten wurden gemeinsam eingenommen, es war die perfekte Mischung von Hotel und Hippiekommune. 


Heute sind Fußwege asphaltiert, Gärten angelegt, die Hütten sind aus festen Holz und haben Glasfenster, zahlreiche Hängematten schwingen zwischen den hochgewachsenen Palmen im Wind, dazu gibt es Liegen mit Kissen und Stühle, die gemütliches Abhängen am Strand ermöglichen. Die Aussicht ist dieselbe geblieben, nur heute ist das Riff mit einem langen Steg vor den Motoren der Boote geschützt. Unverändert ist die lange Anreise zu diesem abgelegenden Ort im Golf von Tomini, von Europa bräuchte man 3-4 Tage, wollte man direkt nach Kadidiri fahren, der letzte Abschnitt ist nur mit einer fünf- bis zwölfstundenlangen Fährfahrt zu bewältigen.


Es zerreißt mir das Herz, das Video zu sehen. Ich will sofort dahin fahren, noch einmal dort sein, trotz all der Veränderungen und Modernisierungen ist es immer noch ein Paradies. Ich will mich noch einmal so fühlen, wie ich mich damals fühlte, so jung, so abenteuerlustig, so offen für alles, so unbeschwert, so eins mit mir selbst. Doch mein Paradies ist verloren. Ich war dreißig Jahre alt, als ich Kadidiri besuchte und im Nachhinein, vielleicht erst jetzt in seiner Deutlichkeit, wird mir klar, dass der Jahreswechsel 99/2000 das Ende meiner Jugend bedeutete. Ich traf die große Liebe meines Lebens in Kadidiri, doch auch das wusste ich damals nicht. Er hatte das schönste Lächeln, das je einem Mann gegeben wurde. Wir tauchten, wir lachten, wir liebten uns, wir redeten nächtelang, Delphine begleiteten uns auf jeder Bootsfahrt nach Una Una, dem Nabel der Welt. Una Una ist eine unbewohnte Vulkaninsel, die fast genau am Äquator liegt. An seinen Steilwänden taucht man regelmäßig mit Schildkröten, Haien und Mantas. Kadidiri ist der einzige Ort der Welt, wo man alle drei Arten von Riffen, dem Atoll, dem Saumriff und die Steilwand betauchen kann. Jeder Tauchgang ist einzigartig, und man kann das niemanden, der das nicht selbst erlebt hat, begreiflich machen. Kein Ort ist wie Kadidiri.

Nach zwei Wochen verließen wir die Insel, um weiter zu reisen, um weiter zu leben. Nichts wusste ich von dem, was ich verlieren würde. Ich erkrankte schwer an Malaria, was meine Reiselust ebenso schwer dämpfte, ein Jahr später verlor ich meine große Liebe an seine Reiselust und seinen Freiheitswillen. Ich irrte noch einige Jahre weiter um den Erdball auf der Suche nach einem neuen Paradies. In der Zeit danach verlor ich die Fähigkeit mich zu verlieben, ich verlor meine Unbeschwertheit und die Lust, neue Ecken der Welt zu entdecken, zu viel hatte ich schon gesehen und erlebt. Ich war erwachsen geworden, ich wurde alt. Stranger things have happened.


Heute sehe ich mir das Video an und weine. Ich trauere um die verlorenen Dinge, manchmal ist es Zeit, auch das zu tun. 

Vielleicht kann ich ja eines Tages doch zurückkehren, noch bevor auch dieses Paradies von Plastik und Umweltverschmutzung verseucht ist. Immerhin war ich einmal auf Kadidiri, immerhin habe ich diese Liebe erlebt, immerhin habe ich diese unglaubliche Welt unter Wasser gesehen und meine Träume verwirklicht. Ich habe Dinge verloren, aber deswegen war und ist es kein verlorenes Leben, sondern eines an wunderschönen und unglaublichen Erinnerungen reiches. 

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